Trendforschung im Web: Den Wert von qualitativen Insights nicht unterschätzen!

Zum Einstieg: Was verstehen wir unter Trendforschung?

Mit der webbasierten Trendforschung können wir potentielle Trends eines Themenfeldes oder einer Category im Web identifizieren. Wir verstehen diese Art von Forschung als einen Trendforschungsprozess. Entscheidend ist dabei bereits der Einstieg in den Prozess, denn ein zentraler Punkt ist die gemeinsame Auftragsklärung. Hier wird definiert, was unsere Auftraggeber überhaupt als Trend verstehen und wie die internen Erwartungen und Wünsche konkret aussehen. Vor allem in einem Erstprojekt müssen wir uns als Forscher schnell und intensiv in das Forschungsfeld einarbeiten: Was aus Sicht der Kunden interessant, neu, trendig und innovativ ist müssen wir durch einige Feedbackschleifen in Erfahrung bringen, um später eine präzisere Trendantizipation zu erreichen. Einen wichtigen Punkt daher bereits vorweg: Abstimmung und Feedbackschleifen mit dem Kunden sind unerlässlich für einen solchen Prozess.
Aber zurück zum Thema: Der Gedanke hinter unserer Art der Trendforschung im Web ist, dass Menschen über Themen, Produkte und Probleme sprechen, sich austauschen und sich darstellen. Mit Hilfe unserer Methode sollen also Themenfelder identifiziert werden, die relevant sind, für die es aber vielleicht noch keine passende Lösung, Produkte oder Services gibt. Ein weiterer Punkt ist, dass sich Produkte finden lassen, die ein bestimmtes Grundprinzip verfolgen, das man für die Innovationsarbeit und Produktentwicklung aufgreifen kann. Also, was wird grade diskutiert und von Konsumenten gerne genutzt und was steckt genau dahinter, was man als Unternehmen aufgreifen kann. Das alles mag jetzt noch etwas kryptisch und wenig konkret klingen, daher zeigen wir im Folgenden einen möglichen Prozess anhand des Beispiels Schokolade auf.

Das Vorgehen: Wie Trendforschung im Web umgesetzt werden kann.

Die Ausgangsfrage lautet: Welche Trends rund um das Thema Schokolade lassen sich finden?

Unser Weg zum Schoko-Trend sieht so aus:
1.    Biotische Trendscouts identifizieren: Unsere Trendscouts  sind Menschen oder Institutionen, die sich dem Thema Schokolade verschrieben haben, z.B. Food-Blogger, die gerne Schokolade zum Kochen und Backen nutzen, Schokoladen-Sommeliers die sich als Schokoladenexperten verstehen, Schokoladenfans, die viele Produkte testen und eine Leidenschaft für dieses Thema haben. Wichtig ist: die Trendscouts müssen in einer regelmäßigen Frequenz schreiben und posten, besonders bei langfristigeren Projekten nützen Quellen nichts, die nur einmal im halben Jahr etwas zu dem Thema posten. Außerdem müssen sie hochinvolviert sein, sprich sie beschäftigen sich sehr intensiv und leidenschaftlich mit dem Thema. Nur so lässt sich sicherstellen, dass diese biotischen Trendscouts auch die notwendige Expertise mitbringen. Es ist zudem wichtig darauf zu achten, dass diese Quellen nicht nur industrieinduzierte Trends verbreiten. Mit anderen Worten: Influencer mit engen Verbindungen zur Industrie eigenen sich nur bedingt als biotische Trendscouts.

2.    Quellenset testen und anpassen: Anhand unterschiedlicher Kriterien werden Accounts der Trendscouts bereits inhaltsanalytisch qualitativ ausgewertet und bewertet. So entsteht ein Quellenset aus höchstrelevanten Quellen.

3.     Qualitative Analysen und Netnographie: Sobald unser Quellenset vorliegt, beginnen wir mit der qualitativen Analyse der Beiträge. Bei einem Schokoladenprojekt vor ein paar Jahren, haben wir beispielsweise das „from bean to bar“-Prinzip kennen gelernt.  Der Schokoladenhersteller führt dabei alle Schritte selbst durch: vom Anbau der Kakaobohne, über deren Röstung bis zur fertigen Schokolade. Der gesamte Prozess liegt in der Hand des Herstellers. Immer wieder wurden Schokoladen vorgestellt, besprochen und gelobt, die diesem Konzept folgen. Es wird als Gütekriterium für eine hochwertige Schokolade eingeführt. Die Frequenz mit der dieses Herstellungsverfahren besprochen wurde, aber auch der hohe Detaillierungsgrad und das Involvement ließen die Vermutung zu, hier bahnt sich ein Trend an, der die Konsumenten begeistert.

4.    Feedbackschleifen und Lernkurven: an diesem Punkt kommen die bereits erwähnten Feedbackschleifen ins Spiel. Können Themen oder Produkte identifiziert werden? Lohnt sich immer die Abstimmung mit dem Kunden? Ist es etwas komplett Neues? Ist es bereits bekannt, aber vielleicht dennoch interessant? Passt der Trend zum Unternehmen?
Nur weil Konsumenten begeistert über etwas reden, heißt es nicht, dass es auf Kundenseite auch interessant oder umsetzbar ist.


5.    Deep Dives: Sind die Trends mit dem Kunden abgestimmt, kann eine detaillierte Analyse fruchtbar und zielführend sein.  Wenn für ein Unternehmen ein Trend neue strategische Optionen eröffnet, dann ist ein Deep Dive eine gute Möglichkeit, weitere Insights zu generieren. Das „from bean to bar“ Konzept spiegelt beispielsweise einen Metatrend wider, der für einen klassischen Süßwarenhersteller eine interessante Option darstellen kann.   Konsumenten möchten gerne wissen, wo ihre Schokolade herkommt, d.h. Transparenz beim Kauf von Lebensmitteln spielt für einige Zielgruppen eine wichtige Rolle. Gleichzeitig greift es Aspekte eines nachhaltigen Lebensstils auf: weniger Subfirmen verspricht kürzere Transportwege und somit weniger CO2 Emissionen für den Transport und Herstellungsprozess. In Zeiten von Blockchain könnten komplette Lieferketten und Herstellungsprozesse transparent und nachvollziehbar gemacht werden.

Diese beispielhaften fünf Schritte sollten in einem webbasierten Trendforschungsprozess im Idealfall umgesetzt werden.

Qualitative Analyse: Messen alleine reicht nicht

Die qualitative Analyse ist aus unserer Sicht ein entscheidender USP unserer Art der Trendforschung. Denn nur dadurch lassen sich übergeordnete Themenfelder, Needs und Metatrends erkennen und sinnvoll einordnen. Wir müssen verstehen und nicht nur messen.  Außerdem lassen sich gerade bei einem langfristig angelegten Forschungsansatz Entwicklungen erkennen, die eine Kategorie oder einen Sektor nachhaltig verändern können.
Der Blick hinter die Kulissen, die Einordnung des Kontexts, Verknüpfung von kleineren Trends zu größeren Metatrends und eine mögliche Relativierung bei der Häufung einzelner Begriffe sind für die Trendforschung unerlässlich, um ein stimmiges Bild zu erhalten. Dies lässt sich nur durch die qualitative Analyse umsetzen.

Reines Social Media Monitoring: Wann macht es Sinn und wann nicht? 

Der beschriebene Ansatz erfordert Zeit und ist mit Aufwand verbunden. Er ist eine Absage an viele Versprechungen, die uns der ein oder andere Toolanbieter mit auf den Weg geben: Plug & Play Trends, Trends ganz einfach über ein Dashboard erfassen und darstellen. Die Realität sieht unserer Erfahrung nach anders aus und ist viel komplexer. Ein reines Monitoring ist bei der Trendforschung nur bedingt ratsam, bzw. eher in einem zweiten Schritt als ergänzender Schritt nutzbar. Es besteht nämlich ein Operationalisierungsproblem, denn Trends müssen in einem Monitoringtool in Searchqueries umgesetzt werden. Dem Monitoringtool muss letztendlich genau gesagt werden, nach welchen Begriffen im Web gesucht werden soll. Diese Begriffe stehen in der Frühphase eines Trends noch gar nicht fest oder sind wenig konkret. 
Wenn Hashtags oder gar Trendbegriffe durch die Mainstreamkanäle wabern, dann kann man davon ausgehen, dass der Trend oder das Trendprodukt bereits im Mainstream angekommen ist. Daher stellt sich für uns die Frage, welche Suchbegriffe sollen für ein Monitoring genutzt werden, wenn es noch gar keine Begriffe gibt?
Insofern sehen wir große Probleme für ein rein toolbasiertes Trendforschungsprojekt. Sinnvolle Anwendungen gibt es jedoch auch für Monitoringtools im Verlauf eines Trendscanning-Prozess.
Sollen bestimmte Trends nach der Identifikation weiterverfolgt werden und deren Entwicklung ist für die Fragestellung des Kunden relevant, lassen sich die gefundenen Trends in ein Monitoringtool überführen. Die bereits identifizierten Trendquellen können in einem geschlossenen Monitoring über einen längeren Zeitraum automatisiert betrachtet werden.

Fazit: Schokolade kann glücklich machen, webbasierte Trendforschung auch!

Wir bezeichnen unsere Art der Trendforschung absichtlich als Prozess. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass es sich nicht um ein starres Produkt oder Konstrukt handelt, sondern dass wir Feedbackschleifen miteinbeziehen und der Prozess ständig verbessert wird. Das führt zu besseren Ergebnissen und umsetzbareren Trends. Ähnlich wie beim „from bean to bar“-Konzept machen wir unseren Trendforschungsprozess transparent. Sie kaufen keine „Black Box“ oder eine Wundertüte. Lassen Sie es sich schmecken!


Autorin: Lena Gebel

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