Mehr als nur ein Lagerfeuer - Gen Z und Medien
Gut erforscht, dennoch große Herausforderungen
Wahrscheinlich sind wenige Verhaltensbereiche der GenZ so umfassend erforscht wie ihr Umgang mit Medien. Hinsichtlich solcher Makro-Befunde wie „Sie sind die ersten wirklichen Digital Natives“, „Was nicht mobil genutzt werden kann, wird von der GenZ gar nicht mehr genutzt“ oder „Sie vertrauen auf die Filterfunktion ihres sozialen Netzwerks“ herrscht auch weitgehend Einigkeit in der Forschungslandschaft. Unbestreitbar ist auch: das Medien- und Kommunikationsverhalten der GenZ unterschiedet sich stark vom Verhalten anderer Generationen. Es findet eine regelrechte Abgrenzung statt.
Doch genau so groß die Einigkeit bei den genannten Erkenntnissen ist, so groß sind weiterhin – und immer wieder aufs Neue – die Herausforderungen, wie man als Medienschaffender oder Werbe-treibender ganz konkret zu agieren hat, um sein Angebot erfolgreich bei der GenZ zu platzieren. Hierzu ist es entscheidend, näher an die Zielgruppe heranrücken und die spezifischen psychologischen und sozio-kulturellen Hintergründe ihres Medienkonsums auszuleuchten. Hierzu ein paar Einblicke aus unserer GenZ-Forschung.
Worin besteht der Return on Attention?
GenZ’ler wählen sehr selbstbestimmt aus, was sie an Medien konsumieren und bewegen sich souverän zwischen verschiedenen Plattformen. Sie gehen dabei recht pragmatisch vor und möchten für sich beantwortet haben, was es bringt, sich mit einem bestimmten Inhalt oder Angebot zu beschäftigen, oder um es im Marketingsprech auszudrücken, worin der „Return on Attention“ besteht.
Diese Logik bedient YouTube mit seinem (vermeintlichen) Authentizitätsversprechen in idealer Weise und ist daher auch eine unverzichtbare Entertainment- und Info-Quelle für die GenZ. In den unzähligen Vlogs, Produkttests, Tutorials oder Gaming-Videos sieht man echte Menschen bei echten Tätigkeiten und kann an deren Auftreten, Style, Wortwahl und Fähigkeiten blitzschnell festmachen, ob das etwas mit einem selbst zu tun hat oder nicht. Das ist schlichtweg effizient, unmittelbar inspirierend und kann zudem noch leicht geteilt werden. Dass die in diesen Videos erwähnten Tipps und Ideen gar nicht immer besonders individuell und schon gar nicht unabhängig sind, wissen GenZ’ler natürlich. Das wird aber in Kauf genommen oder ausgeblendet, solange man Inspiration bekommt, auf Überraschendes aufmerksam wird und damit in seiner Peer Group punkten kann.
Ein zweiter wichtiger Orientierungsmechanismus der GenZ in dem Multiversum an medialen Inhalten lässt sich mit dem „Kuratoren-Prinzip“ umschreiben. Dahinter steckt der Wunsch nach verlässlichen „Experten“, die wie die Kuratoren einer Ausstellung wichtige Inhalte zusammenstellen und an einer Stelle bündeln, um dadurch die Vielfalt auf ein überschaubares Set zu reduzieren. Es ist zweifellos nicht leicht für einen Anbieter oder eine Marke in den Genuss dieses Status zu kommen, aber wenn man es schafft, sind Begeisterung, Loyalität und durchaus auch höhere Zahlungsbereitschaft garantiert, wie man an den Vorreitern in dieser Hinsicht wie Netflix, Spotify oder seit Neuestem auch DAZN sehen kann. Neben dem eindeutigen Versprechen von starken Inhalten in ihrer klar umrissenen Sparte (Serie, Musik, Sport) sorgen die niedrigen Eintritts- und Austrittsbarrieren dafür, dass die GenZ diese Anbieter begeistert in ihren Alltag integriert. Schließlich kann man sich leicht wieder von einem Kurator lösen, falls die Auswahl doch nicht so überzeugend ist oder man sie bereits komplett durch hat.
Bei aller Begeisterung für solche Streaming-Angebote, bei denen man sich als eigener Programm-Direktor erleben kann, hat das „klassische Fernsehen“ weiterhin seinen Stellenwert im Alltag der GenZ’ler. Sie sind nämlich nicht nur „Digital Natives“ sondern auch „Television Natives“, aufgezogen von einer Elterngeneration, die das Fernsehen nicht in kulturpessimistischer Perspektive negativ abgestempelt hat. Sich von seinen Lieblingssendungen zu festen Zeiten wie nach der Arbeit, Uni oder dem Sport berieseln zu lassen ist auch ein Weg, um seinen Alltagsfluss zu strukturieren und sich die Mühe der ständigen Auswahl abnehmen zu lassen. Beim Fernsehen wird die Vielfalt der Medienwelt praktisch auf ein paar Tasten an der Fernbedienung reduziert.
Das gilt zweifelsohne auch für andere Generationen, doch die Ansprüche der GenZ gehen weiter. Sie erwarten, dass Fernsehinhalte auch zeitsouverän und ortsunabhängig zur Verfügung stehen, mit nichtlinearen Angeboten vernetzt sind und die Möglichkeit zur Interaktion bieten. An letztgenanntem Punkt bestärken sich soziale Medien und klassischer TV-Konsum gegenseitig: Twittern zum Tatort oder Facebook-Posts zu GNTM machen eben nur Sinn, wenn man dazu „live“, also linear, schaut, weil nur dann die eigenen Kommentare lesenswert sind. So kommt es, dass die Konkurrenz aus den sozialen Medien dem klassischen Fernsehen bei der GenZ zu neuem Reiz verhilft.
Und schließlich ein letztes Beispiel, das uns in unserem Forschungsalltag mit der GenZ immer wieder begegnet, nämlich das Phänomen „Serie“. Serien wie Game of Thrones, House of Cards oder Breaking Bad erfreuen sich nicht nur wegen herausragender Produktionen und fesselnder Stories großer Beliebtheit unter jungen Menschen, sondern auch weil das Serien-Format generell eine Metapher für ihr eigenes Leben ist: Serien haben Zeit sich zu entwickeln, bei Serien ist alles im Fluss und es kommt zu unvorhergesehenen Wendungen, aber es gibt die Gewissheit, dass es immer wieder weitergeht. Serien werden außerdem in verdaulichen Häppchen angeboten, für eine weitere Episode findet man praktisch immer Zeit. Das Schauen von Blockbuster-Serien vermittelt das schöne Gefühl etwas zu tun, das Millionen andere Gleichaltrige auch tun. Selbst wenn man dafür einen ganzen Sonntag im Bett verbringt, hat man am Montag etwas Spannendes zu erzählen.
Erfolgsversprechende Mechanismen kennen
Mit ihren selbstbewussten Ansprüchen und ihren fluiden, plattformübergreifenden Nutzungs-gewohnheiten sind GenZ’ler zweifellos eine herausfordernde Zielgruppe für Medienanbieter und Werbetreibende. Es gibt sicher nicht die eine Erfolgsstrategie, sondern Konzepte und Umsetzungen müssen von der einzelnen Marke oder dem konkreten Absender her gedacht werden. Aber einige grundlegende Eckpunkte lassen sich wie folgt umreißen:
Schnelle Decodierbarkeit und Zuordenbarkeit sind bei dieser Zielgruppe besonders entscheidend, ohne dabei jedoch oberflächlich oder nichtssagend zu verbleiben. Egal ob im Falle eines neuen Formats oder einer neuen Werbekampagne, es gilt unmittelbar den Bezug zu ihrer Lebenswelt oder den Ausweis des Besonderen zu schaffen, ansonsten wird man schnell weggezappt.
Mechanismen des Storytelling helfen: GenZ’ler lassen sich gut über Stories, Charaktere und Botschaften gewinnen. So wie Ihnen Serienstars wie Frank Underwood, Walter White oder Jon Draper – und damit auch die Serien als Ganze – über die ausgedehnte Erzählweise nahekommen, so können Marken bei ihnen über ein langfristiges, konsistentes und hintergründiges Erzählen der eigenen Botschaft punkten.
GenZ’ler entlarven vermeintlich „getarnte“ Werbemaßnahmen wie Content Marketing, Blogger Relations oder Suggested Posts auf leichte Weise. Bei ihnen muss man nicht zwanghaft versuchen eigene Kommunikationsmaßnahmen zu verschleiern, sondern hat sich vielmehr darauf zu fokussieren, ihnen etwas Inspirierendes, Überraschendes, Besonderes zu liefern – und darin den Gegenwert (Return) für Ihre Aufmerksamkeit (Attention) erlebbar zu machen.