Self-Tracking-Typen im Vergleich: Von guten Vorsätzen und Überzeugungstätern
Mit einem neuen Jahr beginnen für viele Menschen auch neue Gewohnheiten. „Gute Vorsätze“ werden sie meist genannt. Ganz oben stehen dort oft mehr Bewegung oder auf den Körper zu achten. Eine ganze Heerschar an Anbietern bietet dafür ihre Hilfe an. Besonders Self-Tracking-Devices und -Apps haben in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Die digitalen Helferlein sollen motivieren, den eigenen Schweinehund zu überwinden.
Wie viele Self-Tracker ihre Vorsätze auch noch im März einhalten, wissen wir nicht. Aber in diesem Blogpost möchten wir zumindest beleuchten, wovon ein erfolgreiches, längerfristiges Tracken abhängt. Dazu stellen wir weitere Ergebnisse aus unserer Self-Tracking-Studie (Artikel auf marktforschung.de) vor und fokussieren dabei vor allem auf die Vermessung von Bewegungs- und Ernährungsdaten.
Aller Anfang ist schwer? Wie unterschiedlich Self-Tracking beginnt
Schon beim Beginn des Self-Trackings finden wir verschiedene Beweggründe für die Selbstvermessung: Zum einen gibt es diejenigen, die man gerne als Sport- und Ernährungsmuffel bezeichnet. Sie haben bislang keine Erfahrung mit dem Tracken gesammelt. Den Impuls zur Selbstvermessung erhalten sie von anderen: sportlichen Freunden, den Medien oder der Werbung. Für sie eröffnet sich mit dem Self-Tracking eine ganz neues Welt: Plötzlich werden tägliche Schrittzahlen festgelegt und Gegessenes in Kilokalorien umgerechnet. Das Self-Tracking-Device dient dabei als Maßgabe und Motivator: „Wenn die App sagt, dass ich 10.000 Schritte am Tag laufen soll, dann mache ich das.“.
Dem gegenüber stehen die Erfahren. Sie haben sich schon vor dem Aufkommen digitaler Selbstvermessung mit ihrem Körper, Ernährung und Bewegung beschäftigt. Die einen als (Vereins-) Sportler, die anderen als Körperbewusste. Für letztere ist das digitale Tracking eine moderne Version der Aufzeichnung – endlich kein Papier und Bleistift mehr nötig: „Ich habe schon länger Körpergröße, Gewicht und gegessene Kalorien aufgezeichnet. Als ich dann ein neues Smartphone gekauft habe, habe ich mich nach speziellen Apps gesucht.“ Entsprechend ist ihre Suche nach geeigneten Apps und Devices intrinsisch motiviert. Sie schauen nach einer Vereinfachung ihrer bislang analogen Praxis in App Stores oder fragen Gleichgesinnte um Rat.
Big Data rules? Von wegen!
Nicht nur beim Beginn der Selbstvermessung, sondern auch beim Tracken selbst zeigen sich Unterschiede zwischen Tracking-Anfängern und Erfahrenen. Die Intensität und Dauer der Nutzung wird dabei stark von der Motivation der Tracker sowie der Art und dem Umfang der gemessenen Parameter bestimmt.
Unter den Self-Trackern findet man verschiedene Herangehensweisen bezüglich des Erfassens von Werten: Diejenigen, die nur wenige Parameter vermessen, gehen dabei rein zweckorientiert und zielgerichtet vor. Diese Personen messen wirklich nur das, was sie messen wollen – also etwas nur die gelaufenen Kilometer, aber nicht ihre Ernährung. Die Selbstvermessung ist für sie nur eine Form der Dokumentation. So will der Jogger lediglich seine Strecken festhalten und gegebenenfalls seine Zeit für diese verbessern. Als Folge der reinen Kontrollfunktion des Self-Trackings findet auch keine Auswertung im größeren Sinne statt: Die Daten werden sofort nach Erhebung angeschaut und maximal mit älteren Daten verglichen.
Ganz anders die „Heavy Tracker“. Sie verfolgen zwar in Bezug auf einzelne Parameter auch bestimmte Ziele und versuchen diese zu kontrollieren – gerade im Bereich Sport –, jedoch setzen sie insgesamt auf einen holistischen Ansatz. Sie vermessen mehrere Parameter – Körper, Bewegung, Ernährung oder seltener auch Produktivität –, motiviert durch das Ziel, die Funktionsweise ihres Körpers zu verstehen. Durch die Erhebung verschiedenster Werte können sie Zusammenhänge explorieren – z.B. die Auswirkung von Schlaf auf die Laufleistung – und so Verhaltensänderungen forcieren. Dies ist allerdings eher die Ausnahme. Auch Vielnutzer greifen hauptsächlich auf einen Vergleich mit älteren Daten zurück, da eine umfassende Analyse die Zusammenführung von verschiedenen Daten bedeutete. Dies ist vielen zu aufwändig für den alltäglichen Gebrauch.
Und so tracken sie bis an ihr Lebensende?
Der Aufwand für das Tracken beeinflusst auch, wie lange etwas getrackt wird. Sowohl Wenig- als auch Vieltracker kennen Lerneffekte. Dies kann man gerade bei der Ernährung beobachten. Anfangs ist es eines der aufwendigsten Parameter, die vermessen werden: Die Kalorienanzahl eines jeden Gerichts oder Snacks muss eingetragen werden; bei vielen kennt man die Kalorienzahl noch nicht und muss sie in der App nachschlagen. So kann das notieren des Frühstücks mitunter länger andauern als das Verzehren selbst. Mit der Zeit jedoch werden die Tracker zunehmend vertraut mit den Werten bzw. haben sich vereinfachende Routinen wie das Hinterlegen von Standardfrühstücks angewöhnt. Ein weiterer Lerneffekt sorgt dann schließlich dafür, dass das Erfassen von Mahlzeiten häufig eingestellt wird: die Erkenntnis, wie die angestrebte Ernährung funktioniert. Hat man einmal Routinen entwickelt, um sich gesund oder kalorienarm zu ernähren, bedarf es keiner App mehr – das Wissen ist verinnerlicht.
Langfristige Ziele beflügeln das Tracken
Was also bleibt vom Self-Tracking-(Vorsatz) übrig? Wie lang eine Person sich selbstvermessen wird, hängt sowohl von den getrackten Parametern als auch ihren Zielen ab. Wenn es lediglich um erlernbares Wissen über einen Parameter geht – wie bei der Ernährung – kommt es schnell aufgrund von Lerneffekten zu einem Ende des Vermessen. Wenn aber eine kontinuierliche Verbesserung – wie beim Sport – oder das tiefergehende Verstehen und Kausalanalysen das Erkenntnisziel des Trackens sind, wird sich vermutlich auch noch jetzt im März an den guten Vorsätzen gehalten.
Fazit und Learnings für Self-Tracking Brands
Und was bedeutet das für Self-Tracking Brands? Sie müssen aufpassen, ihre Nutzer nicht zu verlieren. Einerseits durch Lerneffekte, andererseits durch die Veränderung ihrer Preispolitik: Vormals kostenlose Apps, die kostenpflichtig werden, werden ersetzt. Die Produktbindung ist hier wegen der funktionalen Äquivalenz der Apps eher gering ausgeprägt. Wenn man eine Laufapp nur rein funktional als „Kilometermesser“ verwendet, erscheint es egal, ob man Laufapp A oder B nutzt, um seine alltägliche Laufstrecke zu tracken.
Eine dauerhafte Bindung an eine App kann erst durch zusätzliche Leistungen erfolgen. Ein gutes Beispiel dafür ist die lebhafte, sich austauschende und unterstützende Community von Freeletics, in der das kompetitive, aber zugleich kooperative Mindset der Freeletics-Athleten Wiederhall findet: Sie ermöglicht den Vergleich mit anderen Sportlern. Das motiviert – zu besseren Leistungen, aber auch zum Austausch, da Workouts kommentiert werden können und ein Austausch über Tipps und Tricks möglich ist. Aber auch Line Extension kann die Bindung stärken, wie die Produktfamilie von Runtastic zeigt: Apps, Hardware wie Brustgurt oder Körperwaage können miteinander verbunden werden und so den Austausch und die Bündelung von Daten unterschiedlicher Geräte und Lebensbereiche erleichtern. Potentiale zur (Selbst-)Optimierung auf Produktebene bestehen also noch – bei Marken als auch Nutzern.
Autorin: Mareike Oehrl